Die ersten Jahre des Wanderpredigers in Arendsee

Arendsee – Vor 150 Jahren wurde der Wanderprediger und Lebensreformer Gustav Nagel in Werben geboren. Heute verbinden die Menschen ihn mit Arendsee. Unweit des Marktes steht ein lebensgroßes Denkmal, und sein Garten mit den Resten seiner Bauten wird vom Förderverein erhalten und weiter rekonstruiert. Doch wie war es eigentlich, als Gustav Nagel das erste Mal nach Arendsee kam?

Zur Kaufmannslehre kam er nach Arendsee

Kurz nach Ostern des Jahres 1888 ging Gustav nach Arendsee in die Lehre beim Kaufmann Ernst Albrecht. Die Lehre eines Berufes, an dem er wenig Freude hatte, musste er schon zwei Jahre später abbrechen, da er an einer Wollallergie sowie chronischen Nasen- und Rachenkatarrhen litt. Weil die Schulmedizin ihm keine Linderung verschaffen konnte, beschäftigte sich Gustav Nagel mit der Naturheilkunde und den Lehren des Pfarrers Kneipp und von Friedrich Eduard Bilz. Nagel stellte seine Lebensgewohnheiten um und zu seinem Erstaunen fest, dass es ihm in Erdhöhlen gesundheitlich besser ging als in einer normalen Wohnung. Die Freude über die Linderung seiner Leiden, die er ausschließlich auf seinen neuen Lebenswandel zurückführte, schlugen jetzt ins Extreme um. Nagel baute sich im Jahre 1890 im „Zühlenschen Tann“ seine erste Erdhöhle. Sein ungewöhnliches Aussehen „wie Jesus“, seine öffentlichen Auftritte und das Wohnen in dieser Erdhöhle machen ihn im biederen und eher konservativen Kleinstadtmilieu von Arendsee schnell zu einen Außenseiter. So zerstörten Jugendliche mehrfach seine Höhlen, wurden ihm gegenüber handgreiflich, und die Arendseer dichteten Nagel auch noch einen unmoralischen Lebenswandel an.

Gustav Nagel vor einer seiner ersten Erdhöhlen.

Alternatives Leben in Erdhöhlen

Immer öfter wurde Nagel von Bürgern der Stadt besucht, die ihn ihren Gästen als „Attraktion“ vorführten.

Insgesamt sind fünf Erdhöhlen nachgewiesen. Als er seine zweite Erdhöhle im Jahre 1897 unweit des Arendseer Schützenhauses baute, war er anfangs noch voller Hoffnung, dass er dort länger als in der ersten Höhle bleiben könnte. Aber auch diese Wohnbehausung wurde zerstört, doch traf ihn das bei Weitem nicht so hart wie der Tod seiner geliebten Mutter am 28. April 1897.

Das Nagelareal am ehemaligen Seetempel heute. Fotos: Archiv

Die dritte Erdhöhle erbaute Nagel 1900 auf dem Sedanberg in der Nähe der ehemaligen Gaststätte „Jonas“, eine vierte errichtete er in einem Wald nahe Leppin. Der Standort der fünften Erdhöhle, die in seinen Schriften erwähnt wird, ist nicht bekannt. In der Arterner Zeitung vom 28. April 1900 steht folgender Hinweis auf die Erdhöhlen: „Der Naturmensch Nagel, der bekanntlich in Leppin bei Arendsee eine Erdhöhle hat, hat diese bezogen und lebt darin, ohne dass ihn die Behörde in seinem Eremitenleben bisher gestört hat.“

Sehr gute Einnahmen durch Gäste-Spenden

Dass Nagel die eisigen Nächte in der Höhle zubringen konnte, ist ein Beweis von der abgehärteten Natur dieses Mannes. Vor der Höhle war ein „Opferstock“ in Gestalt einer großen Sparbüchse angebracht, die dem Menschen eine gute Einnahme brachte. So sollen ihm die Osterfeiertage etwa 120 Mark von den Besuchern eingebracht haben. Je länger er in diesen Erdhöhlen lebte, umso größer wurde sein Interesse an der Naturheilkunde, und er begann, offen über seine Erfahrungen zu sprechen. Dabei merkte er bald, dass immer mehr Menschen ihm zuhören. Neben den Erkenntnissen aus eigener Erfahrung enthielten Nagels Reden und spätere Lehren immer deutlicher einen christlichen Aspekt, der zur wichtigsten Triebfeder seines Handelns werden sollte. Sein Vater hatte die Aktivitäten des „Nesthäkchens“ nie richtig verstanden und sie stets als „überzogenen religiösen Eifer“ abgetan. Letztlich kam es zum Zerwürfnis. Der Vater enterbte Gustav und strebte dessen Entmündigung an, was aber zunächst keinen Erfolg hatte. Später, inzwischen in Arendsee wohnend, wurde Nagel am 13. August 1900 durch das Amtsgericht Arendsee entmündigt.

Das Nageldenkmal in der Arendseer Innenstadt am Markt.

Wie schon erwähnt, hat Gustav Nagel in dem kleinen, aufstrebenden Badeort nicht nur Freunde. Oft wurden die Belästigungen von Jugendlichen, aber auch von Vertretern der „guten Familien“ der Stadt, immer bedrohlicher.

Verbitterter Nagel geht auf Pilgerreise

Verbittert begab sich Gustav Nagel 1898 auf Wanderschaft, sicherlich bei seiner ersten großen Wanderung noch ängstlich. Doch wurden es gerade diese Wanderungen, die ihn in ganz Deutschland bekannt machten.

Quellenangabe: Altmarkkreis Salzwedel vom 23.03.2024, Seite 6

Interesse an einem kostenlosen Testzugang zum ePaper? Bestellen Sie hier: https://meinabo.az-online.de/abo/#abo-pricing . Der Test endet automatisch. 

Translate »

Pin It on Pinterest

Share This
Consent Management Platform von Real Cookie Banner