Wie die Episoden vom Wanderprediger Schüler aus Deutschland begeistern

Das Klosterist bedeutsam für die Entwicklung der Stadt, der See ist Tourismusmagnet und Naherholungszentrum zugleich – beides sind feste Bestandteile von Stadtführungen. Doch der heimliche Star der Touren ist eine bekannte Persönlichkeit.

#Arendsee ● Heidrun Schröder bietet insbesondere für Kinder sowie Jugendliche Stadttouren an und erlebt dabei alles andere als gelangweilte Gäste.

Das Vorurteil, junge Menschen haben kein Interesse an Heimatgeschichte, kann sie nicht bestätigen – ganz im Gegenteil. „Ein Teil einer Gruppe ließ sich von mir einiges erklären und meinte dann im Anschluss zu den Schülern, die nicht dabei waren: Das müsst ihr unbedingt auch mit machen“, erzählte die Arendseerin. Die jungen Menschen kamen aus Hamburg und waren im Kinder- und Jugenderholungszentrum zu Gast.

Stadtführerin Heidrun Schröder an einer Info-Tafel auf dem Nagel-Areal. Dort wird sein Leben, zu dem vegetarische Ernährung, Naturnähe sowie ein einfacher Alltag ohne Luxus gehörte, näher beleuchet. Foto: C. Ziems VOLKSSTIMME

Dort hat Heidrun Schröder mehrere Jahrzehnte gearbeitet. Sie fühlt sich mit der Einrichtung weiterhin verbunden.„Hätte nicht gedacht, dass mir der Abschied so schwer fällt“, gesteht die Altmärkerin ein und ergänzt: „Ich bin froh, immer mal wieder Stadtführungen mit Gruppen machen zu können.“ Dabei lässt sie natürlich die Entwicklung des Klosters sowie die Entstehung des Arendsees keinesfalls außen vor.

Gustav Nagel

So richtig in den Bann kann sie junge Menschen mit Gustav Nagel (1874 bis1952) ziehen. Über ihn erzählt Heidrun Schrödersehr gerne dort, wo er gelebt hat. Und zwarin seinem Garten Eden am Arendsee. Das rund um die Uhr frei zugängliche Areal gehört der Einheitsgemeinde, ein Förderverein kümmertsich darum. Esist bei den Stadttouren ebenfalls Thema. Im Vordergrund steht aber das Leben des Wandpredigers. Die Schüler sind oftmals erstaunt. Aber nicht darüber, dass zu seinem naturnahen Leben das Barfußlaufen gehört. Sondern vielmehr wundern sie sich darüber, dass dies einst in der Gesellschaft für Anstoß sorgte. Darüber hat zum Beispiel die Heimatforscherin Christine Meyer ausführlich recherchiert und einiges in ihrem Buch aufgearbeitet. So lief Gustav Nagel unter anderem im Februar 1900 in der Hauptstadt Berlin barfuß durch den Schnee. Dies und sein Auftreten mit weißem Hemd und bis zu den Knien nackten Füßen sorgte für Volksaufläufe und teilweise sogar Verkehrsstörungen. Das passte weder der Polizei, die immer wieder für Ordnung sorgen musste, noch einigen Pastoren.

Schüler sollten nichts vom Wanderprediger erfahren

Diese bezeichneten den Naturapostel, der sich zeitlebens eng mit dem christlichen Glauben verbunden sah, als falschen Propheten. Gustav Nagel bekam auch in den folgenden Jahrzehnten durch seine Lebensweise immer wieder Ärger und musste unter anderem ins Konzentrationslager Dachau.

Die Geschichte der Arendseer Persönlichkeit fasziniert Menschen in der heutigen Zeit. „Als ich Schülern und Lehrern von dem Vorhaben des Vereins berichtete, den Seetempel wieder aufbauen zu wollen, spendeten sie spontan. 25 Euro kamen so zusammen“, berichtete Heidrun Schröder.

Ähnliche Begebenheiten, auch was den Respekt für die Arbeit der Ehrenamtlichen angeht, erlebt die Stadtführerin immer wieder. Sie ist davon überzeugt, die Bedeutung des Wanderpredigers für den heimischen Tourismus werde noch weiter wachsen.

Durch Erzählungen sowie das Areal werden auch Schüler sowie Jugendliche darauf aufmerksam und können sich eine eigene Meinung bilden. Dies war übrigens früheren staatlichen Verantwortungsträgern ein Dorn im Auge. Die Regierungsabteilung für Schulwesen verbot den Bildungsstätten ab 1930 jegliche Ausflüge zu Gustav Nagel. Der Grund: Er habe einen schlechten Einfluss auf die Jugend. Dieses Verbot ist natürlich längst nicht mehr gültig.

Spendenaktion
● Der Förderverein hat auf seiner Internetseite eine Spendenaktion gestartet. Unter https://gustaf-nagel.de sind Einzelheiten vermerkt.
● Derzeit wird vor allem Geld für die weitere Planung (Statik) und die Baugenehmigung benötigt – insgesamt bis zu 21 000 Euro.
● Über die Aktion könnten bislang 24 Prozent dieser Kosten gedeckt.

Von Christian Ziems

Die Volksstimme empfiehlt vom 21. Juli 2023 den Artikel Gustav Nagel ist der heimliche Star https://epaper.volksstimme.de/volksstimme/share/UEpDRjFJQzhtOGtIdU1aemp5UlhodTU1NEVrQWRwYlBPQm1DaWtQeEo4WGdQd09rRXZsVENhbmJibEpJYWs0WHJHdnJIamZKVitNSGExQ3NuQ2FsZXhHL0tJSHU3ZkpWNnJ6Q3NVbVNEcE9Wd2xFcnlNZmNIVFZ0dW11RHNBND0=?preview=true

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