von Manfred Gießler

die beiden folgenden Inserate sind im Wöchentlichen Anzeiger von Teuchern und Umgegend vom 2. April 1901 zu lesen:

So mancher aus Teuchern und Umgebung hatte Gustav Nagel am besagten 2. April 1901 in Rödels Restaurant besucht. Das unten abgebildete Foto soll im Hof des Restaurants Grüner Weg Ecke Bahnstraße aufgenommen worden sein.

Als ich die Fotos sah recherchierte ich im Anzeiger von Teuchern und fand die obigen Annoncen.

Wer war Gustav Nagel?

Er wurde am 28. März 1874 als achtes Kind einer Gastwirtsfamilie im altmärkischen Werben geboren. Bereits vor seiner Einschulung zog die Familie nach Arendsee. Aufgrund einer lebensbedrohlichen Erkrankung zog er sich von der Gesellschaft zurück. Er baute sich daraufhin eine Erdhöhle in der Nähe der Stadt und widmete sich, beeinflusst von den Lehren des Pfarrers und Hydrotherapeuten Sebastian Kneipp der Naturheilkunde. 1892 wurde er Vegetarier. Fortan lies er seine Haare wachsen, lief nur noch barfuß und war ausschließlich mit einem Talar oder Lendenumhang bekleidet. Er gestaltete sein Aussehen bewusst so, wie sich die Menschen damals Jesus vorstellten.  

Seine unangepasste Lebensweise führte zu Konflikten mit den Behörden und so wurde er 1900 vom Amtsgericht Arendsee entmündigt. Deshalb reiste er in den folgenden Jahren als Wanderprediger umher, rief zu religiösen Versammlungen auf, verkaufte eigene Schriften und hielt Vorträge mit erstaunlichem Zulauf. Tausende besuchten Nagels Versammlungen in den großen Berliner Festsälen, in denen er sein Publikum von seiner Zurechnungsfähigkeit überzeugen wollte. Der Höhepunkt seiner Wanderjahre war 1903 ein Besuch Jerusalems. Im selben Jahr gelang es ihm, die gerichtliche Aufhebung seiner Entmündigung zu erwirken. Im Sommer 1903 pachtete der nun wieder voll geschäftsfähige Nagel zwei Morgen Land bei Arendsee, um dort ein Kneippbad zu betreiben. Er richtete auf dem Grundstück verschiedene Bäder- und Kuranlagen in einer Holzbaracke ein und betätigte sich auch als Krankenheiler für die verschiedensten Leiden, wobei er seinen Patienten vornehmlich Kaltwaschungen und gesunde Ernährung empfahl. Nachdem er, aufgrund weiterhin andauernder Schwierigkeiten mit Behörden und Anwohnern, Arendsee wieder verlassen hatte, kehrt er 1910 wieder zurück. Er kaufte das Gelände des heutigen „gustaf-nagel-Areals“ und begann auf dem Grundstück am See mit der Anlage eines Naturgartens, den er „Garden Eden“ nannte. Ab 1917 erbaute er dort einen Seetempel aus Muschelkalk sowie zahlreiche weitere Anlagen und Bauten, darunter eine Kurhalle.

Gustav Nagel heiratet dreimal und zeugte drei Söhne. 1924 versuchte er sich sogar als Politiker. Er gründete die „deutsch-kristliche folkspartei“, zu deren Zielen die Abschaffung der Großstädte gehörte. Bei der Reichstagswahl im Dezember 1924 scheiterte er kläglich.

Auch in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 blieb er weiterhin im Gespräch, wurde aber nicht ernst genommen. Zu den Olympischen Spielen 1936 reichte er ein „Turnerlied“ ein und wollte damit einen olympischen Dichterwettbewerb anregen. Im Sommer 1943 wurde Nagel als „Schutzhäftling“ ins Konzentrationslager Dachau gebracht, nachdem er im Vorjahr einen Brief an Joseph Goebbels geschrieben und darin das Gerede vom „Endsieg“ als Lüge bezeichnet hatte. Sechs Monate später wurde der nunmehr 70-jährige Nagel in der Nervenheilanstalt Uchtspringe bei Stendal überführt. Nach Kriegsende konnte er sie zunächst wieder verlassen und er kehrte nach Arendsee zurück. Der selbsternannte Friedensapostel begann mit dem Wiederaufbau seiner Tempelanlage und versuchte sich erneut politisch zu engagieren. So schickte er im Juni 1948 eine „Friedensbotschaft“ an die vier Stadtkommandanten von Berlin.

Im März 1949 lud er zur Königskrönung am Arendsee ein. Hier wollte er den Herzog von Cumberland selbst zum „König von Deutschland“ krönen. Kurze Zeit später wurde er erneut in die Nervenheilanstalt Uchtspringe eingeliefert, wo er am 15. Februar 1952 verstarb.

Leider gibt es keine schriftlichen Überlieferungen von Teucherner Bürgern, die Gastav Nagel hier kennen gelernt haben.

Manfred Gießler

Vorsitzender des Heimatvereins Teuchern e.V.

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